Heute war kein so schlechter Tag in der Kita Mittelerde. Die Kinder der Gruppe Handliche Halblinge hatten heute Weihnachtsfeier und waren deshalb selbst auch ziemlich gut drauf, weil sie sich auf den Christmann oder das Weihnachtskind oder Onkel Heribert mit den lustigen Ohren freuten. Aber an den letzten glaubte nur ein einziges Kind und das war auch sonst mental ein wenig in der Findungsphase, wie die Erzieher seit dem Elternabend mit der beinahe-Schlägerei angehalten waren zu sagen. “Wie kommen Sie denn darauf so etwas zu sagen?! Der Justus, der ist hochbegabt, das hat unser Heilpraktiker bestätigt!” Seit dem Vorfall bekam Justus nicht mehr die Schuhe gesäubert, wenn er in Hundehaufen trat und wurde der Mutter grundsätzlich schmutziger als nötig übergeben. Die war nämlich emotional scheinbar noch in der Findungsphase und bis sie Umgangsformen gelernt hatte, würde Elias Heltrop das Kind auch notfalls mit Pferdemist einreiben. Aber heute war das egal, sagte sich der Autor, denn der Justus war nicht da und außerdem war ja Weihnachtsfeier. “Weißt du, was ich mir zu Weihnachten wünsche?” fragte eines der Kinder. Natürlich wusste er nicht, was sich das Kind wünschte, denn Kinder sind zeitweise unberechenbar, gerade was die Kombination von Wünschen und Realismus angeht. “Ein neues Fahrrad.” Das war eine Überraschung, denn es bewegte sich durchaus im Rahmen umsetzbarer… “Mit einem Düsenjet das fliegt dann tausendmillionen hoch und dann muss die Mama mich immer so mit einer Leine…” weiter kam das Kind nicht, denn die eigene Geschichte war so unbeschreiblich lustig, dass selbst stehen vor Lachen nicht mehr möglich war. Aber natürlich sind Kindergeschichten rein objektiv betrachtet selten witzig und so stellte Elias Heltrop sich einfach vor, dass das Kind zu Weihnachten einfach nur ein einzelnes Stützrad bekommt, das auch noch eiert. So konnte er dem Kind sein schönstes Lachen zeigen, ohne es mit der Realität der absolut erbärmlichen Qualität des Vortragsstils der Geschichte zu konfrontieren. Doch Elias Heltrops Aufmerksamkeit wurde in diesem Moment auf ein anders Ereignis gelenkt; durch das Fenster konnte er beobachten, wie ein Maultier durch den Maschendrahtzaun der Kita brach, sehr zur Freude der Kinder, die das Spektakel für eine Weihnachtsüberraschung hielten. Der Reiter des Maultiers schien allerdings die Handbremse angezogen zu haben, denn mit leicht quietschenden Hufen kam das Maultier zum Stehen. Eine Gestalt schwang sich mittelbehände vom Reittier und riss dabei die Tasche am Sattel herunter, wobei scheinbar Dörrfleisch zu Boden fiel. So beeindruckend der Auftritt des Reiters auch gewesen sein mag, jetzt blieb ihm scheinbar nichts anderes Übrig, als an der Scheibe zu klopfen, denn er klopfte an der Scheibe. Heltrops Kollegin, die zwar sehr lieb mit Kindern, aber viel zu innig mit Haustieren war, öffnete dem Abenteurer die Tür. Wie man das halt so macht, wenn ein Maultierpilot mit Dörrfleisch die Kita stürmt. Elias Heltrop schüttelte den Kopf. “Findungsphasen…”. Der Mann stürzte herein und geradewegs auf den Autor zu. Der hatte schon geahnt, dass jener Ritter wahrscheinlich kein Kind mitnehmen würde, es war ja auch noch vor 12.
Unterdessen starrte Dr. Kornelius Demtröder, Maultiergeschirrverziehrerbabier für den Ost-Hallerdamm-Kreis, unentwegt seinem Bogennemesis in die Augen. Er kramte in seiner Manteltasche und holte den Notizzettel hervor, den Fräulein Mixedpickles freundlicherweise angefertigt hatte. Er begann lautstark den Inhalt vorzutragen: “250g Butter, 300g Mehl, 125g Zucker, 50ml Walfett!” Er drehte den Zettel um, denn das war das Rezept seiner Butterplätzchen mit Walfett und Makrelentatzen, die er unter dem Namen Kutterplätzchen patentieren lassen wollte. “Elias Heltrop! Die Zeit deiner Tyrannenherrschaft ist vorbei! Schluss mit den dummen Scherzen! Ich fordere: Klarere Handlungsstränge! weniger wahllose, alberne Alliterationen! Einen BMW 3er und einen Sinn im Leben!” Dr. Kornelius Demtröder, Voldemorts Nasendouble in den Harry Potter Verfilmungen 4 bis 7, verstaute den Zettel im Handschuhfach
des Maultiers und begann damit die Kinder behutsam mit Dörrfleisch zu füttern, während er darauf wartete eine Antwort vom Autor zu bekommen.
Elias Heltrop dachte eine Weile nach und wurde jäh aus seinem Tagtraum gerissen. “Sag mal, ist die Susi eigentlich noch im Trockenraum? Sie hat nämlich Besuch bekommen.” Elias Erasco Barilla Heltrop war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht in der Zwischenzeit abgehängt worden war und so schaute er nach. “Ah ja, die ist noch ein bisschen klamm.”, gab er seiner Kollegin daraufhin zu Protokoll. Doch auch, wenn sie noch nicht ganz schranktrocken war, hängte er sie ab, sodass sie ihren Besuch in Empfang nehmen konnte. Doch als Elias Heltrop sah, wer da im Flur auf die Susi wartete, erschrak er sehr. Diese ausdruckslosen, Augen. Das freundliche Lächeln. Das musste der kleine Johannes sein. Er kannte ihn aus den Erzählungen seiner Kollegen. An einer Halloween Feier der Kita, hatte er ganz Mordor in seine Gewalt gebracht und einen Aufstand angezettelt. Danach hatten sie an jeder Gruppe geklopft und “Süßes oder Sauron!” gerufen, ehe sie sich gewaltsam Eintritt verschafften und alle Kinder mit Edding bemalten und die Erzieher als Geiseln nahmen. Nach diesem Tag war der kleine Johannes nie mehr in der Kita gesehen worden und einige Kollegen hatten Eddingphobien entwickelt. “Ich hab ein Geschenk für die Susi dabei.” sprach der gottlose Junge. Zur Vorsicht griff Elias Heltrop nach dem Regenschirm, der neben der Gardeobe stand um den Teufel notfalls auf Abstand zu halten, denn dieser griff nun in seinen Rucksack. “Bitte keine Rohrbombe, bitte keine Rohrbombe.” murmelte er in der Hoffnung, dass der kleine Johannes bitte keine Rohrbombe bei sich tragen mochte. Erst als er die Luftpolsterfolie öffnete und sich weder Rohre, Bomben, oder Rohrbomben zeigten entspannte sich die Lage ein wenig. Die Verpackung enthielt einen kleinen Igel, den Johannes allerdings als Beagel bezeichnete. Immerhin trug der Igel bereits eine Leine aus Zahnseide und die klamme Susi führte den beleinten Igel zur Tür, wo sie nämlich ihre Mama entdeckt hatte. Elias Heltrops Kollegin hatte diese sicherheitshalber angerufen, denn eigentlich durfte der Johannes ja auch nur in Begleitung seines Bewährungshelfers das Haus verlassen. Überraschenderweise ging der kleine Johannes ohne Gegenwehr mit nach Hause. Vielleicht weil bald Weihnachten war, wahrscheinlich aber, weil er unbewaffnet und in der Unterzahl war. Elias Heltrop wünschte der gottgestraften Familie ein frohes Fest, vielleicht brachte ja der Christmann einen Sack Beruhigungsmittel oder eine Leine für den Johannes. Oder der Onkel Heribert mit den lustigen Ohren einen passenderen Erziehungsstil. Elias Heltrop ging nach Hause, setzte sich an seinen Schreibtisch voller Ananasornamente und begann eine Geschichte zu schreiben. Ein bisschen blöd, ein bisschen weihnachtlich, aber ohne Alliterationen. Es ging um Dr. Kornelius Demtröder, Maultierpilot des Weihnachtsmannes straffälligen Cousins Hoeneß, der einen kleinen BMW 3er unter dem Weihnachtsbaum fand und nun ein kleines bisschen fröhlicher wurde.